Düsseldorfer PKU Tag 2021

Am Samstag hatte die Düsseldorfer Klinik virtuell eingeladen, einem PKU-Tag beizuwohnen. Es gab einige sehr gute und informative Vorträge und auch eine virtuelle Firmenausstellung, die sehr gut organisiert war.

Für alle, die nicht dabei sein konnten, habe ich ein paar (hihi…eher viele) Informationen zusammentragen. Denn euer Phefux ist immer für euch unterwegs, um immer auf dem neuesten Stand zu sein. Wenn auch derzeit eher virtuell.

Bild von Luisella Planeta Leoni auf Pixabay

Herr Prof. Dr. med. Stephan von Dahl erzählte von der Einrichtung des Zentrums für angeborene Stoffwechselkrankheiten bei Erwachsenen am Uniklinikum Düsseldorf. Es werden insgesamt über 200 Patienten und Patientinnen mit PKU, atypischer PKU, MSUD und Tyrosinämie betreut.

Es gibt vier mögliche Sprechtage in der Woche und zusätzlich zur Phe-Wert-Bestimmung gibt es noch die Möglichkeit für eine Knochendichtemessung, da PKUs eine erhöhte Osteoporose-Neigung zeigen. Deswegen sollten PKUs übrigens regelmäßig den Calcium- und Vitamin-D3-Spiegel testen lassen.

Weitere interessante Zahlen waren die Wahrscheinlichkeit für PKU, die in Deutschland bei 1 zu 10000 liegt und der Wert 100 bis 150, denn das ist die Anzahl der Kinder, die jährlich mit PKU geboren werden. Wusstet ihr das? J

Bild von Michal Jarmoluk auf Pixabay

Sehr interessant war ein Vortrag über die Auswirkungen verschiedener Phe-Blutwerte und die dazu durchgeführte Studie mit mehreren PKUs. (In Düsseldorf werden die Phe-Werte im Mikromol pro Liter angegeben (µmol/L ) – damit ihr die Angaben richtig einordnen könnt.) Bei einer Stoffwechseleinstellung, die Werte unter 600 µmol/L  als Blutwert hervorbringt, wird der Alltag gut geschafft und auch die psychosozialen Bindungen funktionieren. Es gibt kaum neurologische Auffälligkeiten und auch das Berufsleben wird gut gemeistert. Aber schon bei einem Blutwert zwischen 600 bis 1200 µmol/L  zeigen sich erste Schwierigkeiten. Diese erhöhten Werte führen zu Konzentrationsproblem und beeinflussen deswegen auch Beruf und Bindungen. Bei einem Wert von über 1200 µmol/L  zeigen sich Gehirnveränderungen im MRT und die Schwierigkeiten verdichten sich. Das ist quasi genau das, was ich aus der Eigenerfahrung heraus ja auch schon in meinem Motivations-Hörbuch beschrieben habe. Es ist so interessant, dies nun auch anhand einer Studie belegt zu sehen. Deswegen: Passt auf eure Blutwerte auf und kontrolliert sie regelmäßig! Mit geringeren Werten, habt ihr bessere Chancen auf ein ausgeglichenes, produktives Leben.

Kennt ihr schon meinen Bericht aus dem Labor, in dem ich euch zeige, wie der Phe-Wert aus dem Blut in der Trockenblutkarte bestimmt wird?

Bild von Darko Stojanovic auf Pixabay

Ein weiterer interessanter Vortrag drehte sich um die ergänzende Behandlung mit BH4 (Kuvan). Die Uniklinik Münster betreut in der Kinderklinik Kinder und auch Erwachsene mit PKU mit diesem Medikament, wenn die Voraussetzungen in der Genmutation gegeben sind. Denn ob man Responder ist liegt an der individuellen Genmutaion, also die Kombination aus dem Erbteil des Vaters und des Erbteils der Mutter.

Spannend an diesem Vortrag fand ich, das Enzym Phenylalaninhydroxylase (also das Enzym, dass Phe zu Tyr umbaut) in einer Darstellung zu sehen. Es sieht aus wie ein Schmetterling! Bei PKU ist dieser Enzym-Schmetterling falsch gefaltet und das BH4 versucht, die Fehlfaltung zu berichtigen. Schöne anschauliche Darstellung der Wirkweise! 🙂

Interessant ist auch immer wieder, dass wirklich jeder und jede eine „eigene PKU“ hat und es immer auf die eigene Gen-Mutation ankommt, wieviel Phe man verträgt, wieviel Restaktivität das Enzym noch hat und wie gut dadurch ein Rest an Phe verstoffwechselt werden kann. Bevor man dieses Medikament dann in Betracht ziehen kann, muss vorab die Response-Fähigkeit relativ aufwändig getestet werden.

(Trigger-Warnung: Spritze zu sehen!)

Bild von Bruno /Germany auf Pixabay

Um ein weiteres Medikament ging es im folgenden Beitrag von Frau Muntau. Sie berichtete über den Einsatz von Pegvaliase in der Hamburger Klinik. Dies ist ein Enzym, dass im menschlichen Körper nicht vorkommt und mit einer Hülle aus PEG (Polyethylenglycol) versehen wird, um es dem Körper zu spritzen. Dieses Enzym baut im Körper Phe zu Zimtsäure und Ammoniak um. Das Medikament wird als tägliche Spritze selbst verabreicht.

Eine spannende Therapie, über die ja auch sehr viel geredet wird. Und einige PKUs in Deutschland testen dieses Medikament für ihr Leben auch schon. Allerdings war es für mich noch interessanter mal die Nebenwirkungen und Probleme mit dem Medikament vor Augen geführt zu bekommen.

In den ersten 6 Monaten treten die Nebenwirkungen bei bis zu 90% der Patientinnen und Patienten auf. In der weiteren Anwendungsphase gehen diese teilweise zurück. Dieser Rückgang ist individuell und liegt daran, wie der eigene Körper mit diesem körperfremden Enzym zurechtkommt. Die Nebenwirkungen reichen von Rötungen und Schwellungen und/oder Entzündungen der Einstichstelle, Kopfschmerzen, Ausschlägen (am ganzen Körper möglich), Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Husten, Haarausfall, Gelenkschmerzen, Herzschlagerhöhung bis hin zu Immunreaktion, Serumkrankheit und anaphylaktischem Schock…und ehrlich gesagt, fand ich das gezeigte Diagramm mit den Nebenwirkungen sehr krass. 65% haben diese unerwünschten Wirkungen des Medikaments auch nach der sechsmonatigen Einführungsphase weiterhin oder bilden sie neu aus.

Vor allem ein Wert ist auffällig: 61% der untersuchten PKUs, denen Pegvaliase verabreicht wurde hatten nach (!) der sechsmonatigen Erstphase Probleme mit der Ausbildung einer Hypophenylalaninaemia – das heißt, dass viel zu viel Phe verstoffwechselt wird und man trotz eiweißreicher Ernährung nicht genug Phe im Körper halten kann. Die Phe-Spiegel sind dann zu niedrig! Da Phe eine essenzielle Aminosäure ist und der Körper Phe nicht selber herstellen kann, kann auch dieser zu niedrige Phe-Spiegel gefährlich werden!

61% ist für mich wirklich ein hoher Anteil und das hatte ich nicht erwartet. Vor allem, dass diese Wirkung anhält und nicht nach der Einführungsphase wieder abklingt.

Man muss übrigens, wenn man Pegvaliase nimmt, immer einen Epi-Pen (Adrenalin) dabeihaben, weil es immer die Gefahr eines allergischen Schocks geben kann. Dies wurde auch noch mal anhand einer Geschichte eines Patienten erzählt. Dieser hatte schon über Monate Pegvaliase genommen und hatte mit Hautausschlägen zu kämpfen. Und hatte auf einmal nach einer Injektion einen allergischen Schock erlitten, obwohl der Körper den Wirkstoff ja schon längere Zeit kannte. Seine Behandlung mit Pegvaliase wurde daraufhin abgebrochen.

Frau Muntau stellt auch klar, dass Pegvaliase erst gegeben sollte, wenn man ernstgemeint und über längere Zeit versucht hat, wieder in die PKU-Diät einzusteigen.

Wir sehen: Es ist noch kein Allheilmittel und sehr individuell zu bewerten!

Bild von silviarita auf Pixabay

Für mich persönlich noch keine richtige Lösung. Zumal ich aus Amerika ähnliche extreme Erfahrungen mit Nebenwirkungen von PKUs gelesen und erzählt bekommen habe.

Viel wichtiger fand ich den nachfolgenden Vortrag der Diätassistentinnen aus Düsseldorf. Sie referierten, was an der Ernährungsberatung so wichtig für die Einhaltung der PKU-Diät ist und was eine gute PKU-Lebensweise ausmacht.

  • Ernährungsberatung und drauf aufbauend eine individuell eingestellte eiweißarme Ernährungsweise
  • Eine Aminosäure, die schmeckt und in den eigenen Alltag passt
  • Kontakt zu anderen PKUs, Selbsthilfegruppen und Teilnahme an Events (z.B. Kochkursen) helfen bei der Motivation und sozialer Stütze
  • Anbindung an ein Stoffwechselzentrum, zur Kontrolle und Überwachung der Diät-Führung
  • Regelmäßige Phe-Wert-Bestimmung

Osteoporose-Prävention hatte ich ja vorhin schon angemerkt. Auch eine Verminderung des Säure-Überschuss im Körper ist sinnvoll. Und auch bei der Einnahme von BH4 muss übrigens weiterhin geschaut werden, ob alle Mikronährstoffe mit der Nahrung aufgenommen werden können.

Schön fand ich eine Auflistung und das Zeigen von vielen eiweißarmen Lebensmitteln der Firmen und welche, die man im Supermarkt finden kann. Auch die Sättigung war ein Thema und dass die Ergänzung von Ballaststoffen (BallastoMaxx, Flohsamenschalen, viel Gemüse) sinnvoll ist, um eine höhere und längere Sättigung zu erreichen. Und natürlich auch, um den Darm zu unterstützen.

Dann wurden noch Aminsoäuremischungen mit GMP-Mischungen kurz verglichen. Ich habe euch ja schon mal erklärt, wo der Unterschied liegt. Aber in kurz: In der Aminosäuremischung sind alle Aminosäuren bis auf Phenylalanin (bei PKU, bei artverwandten Stoffwechselstörungen natürlich andere) enthalten. Aminosäuremischungen gibt es trinkfertig, pulverförmig, als Tabletten, als Riegel und als Granulat. GMP ist auch eine Mischung von Aminosäuren, aber ein Teil der Aminsoäuren liegt dort schon aus Molke-Eiweiß gewonnen vor (Glykomakropeptid). Die GMPs sind seit 2010 in Deutschland verschreibbar und man muss hier immer auch auf die Kalorien achten und beachten, dass GMP ein wenig natürliches Phe beinhaltet. Dieses muss in der jeweiligen Tages-Phe-Toleranz mitberechnet werden.

Die Veranstaltung ging mehrere Stunden und auch eine kleine Firmen-Ausstellung war integriert. Danke an alle freundlichen Mitarbeiter:innen der verschiedenen Firmen! Leider hatte ich in der 30-minütigen Pause kaum Zeit für ein nettes, längeres Gespräch. 🙂

Aber nehmt diese Gelegenheiten, wenn mal wieder Aktionen der Firmen in eurer Nähe stattfinden, auf jeden Fall wahr! Meist kann man die neuesten Produkte sehen und probieren und es ist auch immer wieder ein Motivationsschub! 🙂

Ich hoffe für euch war dieser Einblick in die Veranstaltung genauso interessant, wie es für mich war. So viele Informationen! Habt ihr bis zum Ende des Artikels durchgehalten?

(Und ich hätte noch mehr schreiben können. Aber das hätte definitiv den Rahmen gesprengt.)

Bis ganz bald!

Euer Phefux Marianne

Leider habe ich keine Bilder von der Vernastaltung, nur Screenshots, und konnte nicht abklären, ob ich diese veröffentlichen darf. Deswegen ist dieser Artikel mit frei zugänglichen Bildern von Pixapay bebildert.